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Architektenvertrag § Rechtslage, Leistungen & Vertragsinhalte

Im Rahmen eines Architektenvertrags – oft auch Architekturvertrag genannt – vereinbaren Bauherr und Architekt die Erbringung von Architekturleistungen gegen ein bestimmtes Honorar. Dabei geht es oft um viel Geld und um die Realisierung eines – zumindest für den Bauherren – besonders wichtigen Projekts. Wichtig zu wissen ist daher, was genau unter einem Architektenvertrag zu verstehen ist, welchen Inhalt der Vertrag hat und welches Recht auf ihn anwendbar ist.
Inhaltsverzeichnis

Rechtslage zum Architektenvertrag

Architektenverträge sind Verträge, die die Erbringung von Architekturleistungen zum Inhalt haben. Diese Vertragsart weist zwei wichtige Besonderheiten auf. Eine Besonderheit dieser Vertragsart liegt darin, dass die rechtliche Qualifikation von Architektenverträgen umstritten ist.

Das bedeutet: Nicht jeder Vertrag, der Architekturleistungen zum Gegenstand hat, lässt sich einem bestimmten, durch das Schweizer Recht vorgesehenen Vertragstyp zuordnen. Vielmehr kann auf Architektenverträgen sowohl das Werkvertragsrecht (Art. 393 ff. des Obligationenrechts) als auch das Auftragsrecht (Art. 394 ff. Obligationenrecht) sowie das sogenannte Architektenrecht anwendbar sein.

Infografik Architektenvertrag
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Ob das Werkvertrags- oder Auftragsrecht auf einen Architektenvertrag anwendbar ist, hängt davon ab, ob die vertraglich geschuldeten Leistungen Werkvertrags- oder Auftragscharakter haben. Einen werkvertraglichen Charakter haben in der Regel:

  • Entgeltliche Planungen eines Bauvorhabens (Planungsvertrag)
  • Projektierungsarbeiten rund um ein Bauprojekt
  • Erarbeitung eines Kostenvoranschlags

Die Ergebnisse dieser Tätigkeiten lassen sich objektiv messen und haben daher „Werkcharakter“. Folgende Vertragsleistungen hingegen haben „Auftragscharakter“:

  • Bauleitung
  • Bauaufsicht
  • Vergebung von Arbeiten rund um den Bau

Werden letztere Tätigkeiten geschuldet, kommt es bei der Erfüllung insbesondere auf die Erfahrung und die Wertungen des Architekten an. Seine Arbeitsergebnisse sind daher nicht als „Werke“ zu qualifizieren. Auf einen mit diesem Inhalt geschlossenen Architektenvertrag ist daher Auftragsrecht anwendbar. Werden sowohl Leistungen mit werkvertraglichen als auch mit Auftrags Charakter geschuldet, können auf denselben Architektenvertrag Werk- und Auftragsrecht angewendet werden.

Eine weitere Besonderheit dieser Vertragsart ist darin zu erkennen, dass Architektenverträge nicht zwingend mit einem Architekten geschlossen werden müssen. Schliesslich ist „Architekt“ in der Schweiz keine geschützte Bezeichnung – jedermann kann sich so nennen. Ob es sich um einen Architektenvertrag handelt, ist daher nicht davon abhängig, wie sich die Vertragspartner bezeichnen. Es kommt allein darauf an, ob der Vertrag die Erbringung von Architekturleistungen zum Gegenstand hat.

„Architekt“ als nicht geschützter Begriff

Der Umstand, dass sich in der Schweiz praktisch jedermann „Architekt“ nennen darf, ist für Bauherren problematisch. Schliesslich macht es die nicht geschützte Bezeichnung schwer, eine qualifizierte von einer unqualifizierten Person zu unterscheiden. Halten Sie nach einem Architekten Ausschau, sollten Sie daher darauf achten, ob der Architekt den Zusatz „ETH“, „HTL“ oder „SIA“ führt. Diese Zusätze sind geschützt und dürfen nur von Personen geführt werden, die als Architekten qualifiziert sind.

Vertraglich vereinbarte Leistungen

Damit es sich bei einem Vertrag um einen Architektenvertrag handelt, kommt es entscheidend auf die vertraglich geschuldeten Leistungen an. Nur dann, wenn die geschuldeten Leistungen als Architekturleistungen einzustufen sind, liegt ein Architektenvertrag vor. Welche Leistungen als Architekturleistungen einzustufen sind, kann der SIA-Ordnung 102, einer Ordnung des Schweizerische Ingenieur- und Architektenvereins, entnommen werden.

In der SIA-Ordnung 102 vorgesehene Leistungen eines Architekten können in verschiedenen Bauphasen ausgeführt werden – alle von ihnen sind aber klassische Architektenleistungen. Im Folgenden finden Sie die Leistungen, die Gegenstand eines Architektenvertrags sein können. Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir sie den Bauphasen zugeordnet, in denen sie ausgeführt werden:

  • Vorprojektphase: Zu den Architektenleistungen, die in der Vorprojektphase ausgeführt werden, zählen Problemanalysen, die Ermittlung und das Studium von Lösungsmöglichkeiten, die Erstellung eines Vorprojekts und die grobe Schätzung von Kosten und Termine
  • Projektphase: Zu den Architektenleistungen, die in der Projektphase ausgeführt werden, zählen die Erstellung eines Bauprojektes, die Schätzung von Baukosten und Terminen, Vorbereitung und Einleitung des Baubewilligungsverfahrens sowie die Erstellung von Detailstudien und Kostenvoranschlägen
  • Vorbereitungsphase: Zu den Architektenleistungen, die in der Vorbereitungsphase ausgeführt werden, zählen die Erstellung provisorischer Ausführungspläne, die Umsetzung von Ausschreibungen und Vergebungsanträge sowie die Terminplanung
  • Ausführungsphase: Zu den Architektenleistungen, die in der Ausführungsphase anfallen, zählen die Vorbereitung und der Abschluss von Unternehmer- und Lieferantenverträgen, die Erstellung definitiver Ausführungspläne, die gestalterische Leitung sowie die Bauleitung
  • Abschlussphase: Zu den Architektenleistungen, die in der Abschlussphase ausgeführt werden, zählen die Erstellung einer Schlussabrechnung oder der Bauwerksdokumentation sowie die Leitung der Garantiearbeiten
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Vertragsinhalte gemäss SIA-Ordnung

Inhaltlich kann der Architektenvertrag den Architekten zur Erbringung von Leistungen in allen Bauphasen verpflichten. Die weiter oben bereits aufgeführten möglichen Architektenleistungen inklusive der passenden Honorare werden in der SIA-Ordnung 102 aufgeführt. Um sich den Vertragsschluss zu erleichtern und den Vertragsinhalt zu bestimmen, schliessen viele Bauherren und Architekten den „Vertrag für Architekturleistungen Nummer 1002“ des SIA (Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins) ab. Das vorgefertigte, 15 Seiten starke Vertragswerk baut auf der SIA-Ordnung 102 auf. Die Vertragsvorlage geht auf die wichtigsten Inhalte des Architektenvertrags ein:

  • Die am Vertragsschluss beteiligten Vertragsparteien (Bauherr und Architekt)
  • Die Vertragsgrundlagen (hier: SIA-Ordnung 102 sowie das Obligationenrecht)
  • Vertragsunterlagen (z. B. Objekt, spezielle Wünsche des Bauherren)
  • Geschuldete Leistungen
  • Das Architektenhonorar und anfallende Nebenkosten
  • Die Kompetenzen des Architekten
  • Die Vertretungsbefugnis des Architekten
  • Einzuhaltende Fristen
  • Ausserordentliche Vertragsauflösung
  • Versicherung und Haftung

Wird die Vertragsvorlage des SIA zum Abschluss des Architektenvertrages verwendet, muss die Vorlage dem individuellen Bauvorhaben selbstverständlich noch angepasst werden. Das SIA-Muster zum Architektenvertrag gibt lediglich den vertraglichen Rahmen vor. Alternativ ist es den Vertragsparteien selbstverständlich möglich, einen individuellen Architektenvertrag ohne Verwendung der SIA-Vertragsvorlage aufzusetzen. Sofern die Parteien möchten, dass die SIA-Ordnung 102 Bestandteil ihres individuell geschlossenen Vertrags wird, müssen sie dies dann jedoch explizit vereinbaren. Tun sie dies nicht, gilt für den geschlossenen Vertrag lediglich das Obligationenrecht (OR).

Die Parteien können Ihren Vertrag frei gestalten

Die Vertragsparteien sind nicht dazu verpflichtet, die SIA-Ordnung 102 in ihren Vertrag einzubinden. Auch was Form und Inhalt des Vertrags angeht, herrscht Gestaltungsfreiheit. Das bedeutet: Die Vertragsparteien sind nicht dazu verpflichtet, ausführliche Regelungen zu allen oben genannten Punkten zu treffen. Ausserdem steht es ihnen frei den Architektenvertrag sogar mündlich abzuschliessen. Allerdings ist davon abzuraten, auf ausführliche und schriftliche Regelungen zu verzichten.

Widerrufsrecht: Den Architektenvertrag vorzeitig beenden?

Üblicherweise ist der Architektenvertrag dann beendet, wenn die vertraglich geschuldeten Leistungen (mängelfrei) erbracht worden sind. Allerdings kann es auch vorkommen, dass der Bauherr den Architektenvertrag vorzeitig und einseitig durch Widerruf beenden möchten. Haben die Vertragsparteien vertraglich nicht vereinbart, ob ein Widerruf möglich sein soll und welche Konsequenzen sich im Widerrufsfall ergeben, richtet sich dies nach dem Obligationenrecht. Das Obligationenrecht wiederum legt fest, dass sich die Möglichkeit sowie die Konsequenzen eines Widerrufs danach richten sollen, ob der geschlossene Vertrag unter das Auftrags- oder das Werkvertragsrecht fällt. Ist auf vereinbarten Leistungen oder Leistungsteile das Auftragsrecht anwendbar, kann der Bauherr den Auftrag gemäss Art. 404 Obligationenrecht (OR) jederzeit kündigen. Schadensersatz muss der dem Beauftragten prinzipiell nicht zahlen.

Sind die vereinbarten Leistungen oder die von der vorzeitigen Beendigung betroffenen Leistungsteile hingegen werkvertraglicher Natur, kann der Bauherr nur zurücktreten, wenn er den Architekten gemäss Art. 377 Obligationenrecht (OR) vollumfänglich schadlos hält. Das bedeutet, er muss dem Architekten den entgangenen Gewinn ersetzen – und so im Ergebnis trotz Rücktritt das Architektenhonorar zahlen. Ob auf einen geschlossenen Architektenvertrag das Werk- und Auftragsrecht anwendbar ist, muss (sofern keine vertragliche Vereinbarung hierzu vorliegt) im Streitfall von einem Gericht entschieden werden. Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang: Bei gemischten Verträgen, die Leistungen sowohl mit auftrags- als auch mit werkvertraglichen Charakter enthalten, kann ein jederzeitiges Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht aus dem Auftragsrecht abgeleitet werden. Es findet dann auch auf die werkvertraglichen Teilleistungen Anwendung.

Stufenweise Beauftragung erleichtert Kündigung bzw. Widerruf

Ist der Architektenvertrag einmal geschlossen, kann auf den gesamten Vertrag unter Umständen das Werkvertragsrecht anwendbar sein. Ist das der Fall, ist für Sie als Bauherr eine vorzeitige Vertragsbeendigung mit erheblichen finanziellen Einbussen verbunden. Sinnvoll kann es daher sein, eine stufenweise Beauftragung der Architekturdienstleistungen in Betracht zu ziehen. So sichern Sie sich – für Leistungen mit Auftragscharakter – das unkomplizierte Kündigungsrecht gemäss Art. 404 Obligationenrecht (OR).

Wie kann ein Anwalt für Baurecht rund um den Architektenvertrag helfen?

Ein spezialisierter Anwalt kann Ihnen dabei helfen, einen für Ihre Bedürfnisse passenden Architektenvertrag zu erarbeiten. Ausserdem können Sie selbstverständlich einen bereits vorhandenen Architektenvertrag prüfen lassen. Entscheiden Sie sich für letztere Option, ist es wichtig, dass Sie die Vertragsprüfung vor Vertragsschluss vornehmen lassen. Sowohl durch die Erarbeitung eines individuellen Vertrags als auch durch die Prüfung eines vorhandenen Dokuments stellen Sie sicher, die Leistungen zu erhalten, die Sie sich wirklich wünschen. Ausserdem kann Ihnen ein an Ihre Bedürfnisse angepasster Vertrag dabei helfen, Ihr Kostenrisiko (beispielsweise im Falle eines Rücktritts vom Vertrag) zu minimieren.

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FAQ: Architektenvertrag

Ein Architektenvertrag ist ein Vertrag, der eine Person dazu verpflichtet, Architektenleistungen zu erbringen. Bei diesen Leistungen handelt es sich dabei um Leistungen, die in der SIA-Ordnung 102 genannt sind.
Der Architektenvertrag wird regelmässig zwischen einem Bauherrn und einer weiteren Person, die Architektenleistungen erbringt, geschlossen. Nicht zwingend erforderlich ist, dass ein qualifizierter Architekt am Vertragsschluss beteiligt ist. Damit ein Vertrag als Architektenvertrag eingeordnet werden kann, kommt es nämlich nicht auf die Vertragsparteien, sondern auf die versprochene Leistung an.
Prinzipiell müssen sich die Vertragsparteien bei Abschluss eines Architektenvertrags nicht an Form- und Inhaltsvorschriften halten. Sie sind – was Vertragsgestaltung und Form angeht – frei und können den Architektenvertrag sogar mündlich abschliessen. Ratsam ist es allerdings, sich inhaltlich an der SIA-Ordnung 102 zu orientieren und den Vertrag schriftlich zu fixieren.

Rechtsquellen:

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Ein Beitrag unserer juristischen Online-Redaktion

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