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Bauverzögerung § Voraussetzungen & Rechte des Bauherrn

Nur sehr wenige Bauvorhaben laufen wirklich reibungslos ab. Vielmehr kommt rund um Bauarbeiten oft zu kleineren und grösseren Problemen, Änderungen oder sogar zu einer Bauverzögerung. Insbesondere die Bauverzögerung kann dabei zu einem echten auch finanziellen Problem für den Bauherren werden. Wann genau eine Bauverzögerung vorliegt und welche Rechte der Bauherr aufgrund der Verzögerung hat, klären wir im Folgenden.

Inhaltsverzeichnis

Konsequenzen der Verzögerungen

Die rechtlichen Folgen von Verzögerungen richten sich oft nach Art. 363 ff. Obligationenrecht (OR). Wird ein Bauvertrag geschlossen, sind darin regelmässig Zwischen- sowie Endtermine vorgesehen, zu welchen bestimmte Bauleistungen erbracht sein müssen. Werden die vereinbarten Fristen nicht eingehalten, spricht man von einer Bauverzögerung.

Erbringt der Bauunternehmer geschuldete Bauleistungen nicht rechtzeitig, gerät er mit seiner Leistung prinzipiell in Verzug – die Bauverzögerung wird daher oft auch Bauverzug genannt. Welche Folgen sich aus dem Verzug ergeben, hängt von mehreren Faktoren ab: Zum einen kommt es darauf an, wer die Verzögerung verschuldet hat. Zum anderen spielen aber auch die rechtlichen Bestimmungen, die für den Bauvertrag gelten, eine wichtige Rolle.

Haben Bauunternehmer und Bauherr keine besonderen Vereinbarungen getroffen, ist auf den Bauvertrag grundsätzlich das Werkvertragsrecht der Art. 363 ff. Obligationenrecht (OR) anwendbar. Kommt es zu einer Bauverzögerung, richten sich die Ansprüche des Bauherrn in diesen Fällen ebenfalls nach dem Obligationenrecht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Bauherr und Bauunternehmer vereinbart haben, dass die private SIA-Norm 118 des Schweizerische Ingenieur- und Architektenvereins auf ihren Bauvertrag anwendbar sein soll. Sie sieht im Falle einer Bauverzögerung andere Konsequenzen vor als das Obligationenrecht, kommt aber nur zur Anwendung, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden ist.

Welche Bestimmungen sind auf den Bauvertrag anwendbar?

Auf einen Bauvertrag können sowohl das Obligationenrecht als auch die Vorschriften der SIA-Norm 118 anwendbar sein. Welche Regelungen Anwendung finden, hängt von den Parteivereinbarungen ab.

Obligationenrecht und SIA-Norm

Hält der Bauunternehmer Fristen zur Fertigstellung eines Bauwerks oder zur Lieferung bestimmter Teilleistungen nicht ein, kann das verschiedene Konsequenzen haben. Welche Folgen eintreten richtet sich dabei insbesondere danach, ob auf den Bauwerkvertrag das Werkvertragsrecht des Obligationenrechts oder der Regelungen der SIA-Norm 118 anwendbar sind. Ist das Werkvertragsrecht anwendbar, gerät der Bauunternehmer durch die nicht vollständige Leistung zum vereinbarten Termin meist prinzipiell gemäss Art. 102 ff. Obligationenrecht (OR) in Verzug.

Ist hingegen die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 auf den Bauwerkvertrag vereinbart worden, kommt es nicht „automatisch“ zu einem Verzugseintritt. Vielmehr sieht das SIA-Regelwerk vor, dass der Unternehmer in bestimmten Fällen einen sogenannten Fristerstreckungsanspruch haben kann. Das ist vornehmlich dann der Fall, wenn er die Nichteinhaltung des vereinbarten Fertigstellungstermins nicht zu vertreten hat, er seinen Auftraggeber rechtzeitig über die Verzögerung informiert hat und alle zumutbaren Massnahmen ergriffen hat, um die Frist einzuhalten. Sind die durch die SIA-Norm 118 vorgegebenen Friststreckungs-Voraussetzungen nicht erfüllt, gerät der Bauunternehmer ebenfalls in Verzug.

Welche Folgen hat der Bauverzug?

Stellt der Bauunternehmer ein ganzes Bauwerk oder bestimmte Gebäudeteile nicht zum vereinbarten Termin fertig, können Sie als Bauherr zum einen gemäss Art. 107 Abs. 1 Obligationenrecht (OR) eine Nachfrist Erfüllung des Vertrages setzen. Zum anderen ist es Ihnen gemäss 109 Abs. 1 Obligationenrecht (OR) möglich den Rücktritt vom Vertrag zu erklären oder den Vertrag gemäss Art. 377 Obligationenrecht (OR) zu kündigen. Sofern Sie mit dem Bauunternehmer die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 auf Ihren Vertrag vereinbart haben, können Sie ausserdem die Zahlung einer Konventionalstrafe verlangen. Zusätzlich dazu können Sie dazu berechtigt sein, Schadenersatz zu fordern. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Schadensersatzanspruch im Falle der Bauverzögerung entsteht, klären wir im Folgenden. Ein Bauverzug hat oft eine Bauzeitverlängerung zur Folge. 

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Wann entsteht ein Schadensersatz­anspruch?

Kommt es rund um den Bau zu Verzögerungen, entsteht deshalb nicht automatisch ein Schadenersatzanspruch. Vielmehr muss der Bauunternehmer mit seiner Leistung tatsächlich in Verzug geraten sein. Für den Verzugseintritt müssen drei wichtige Voraussetzungen erfüllt sein:
  • Der Erfüllungsanspruch des Bauherrn muss fällig sein
  • Der Bauherr muss eine Mahnung an den Bauunternehmer gesendet haben
  • Der Bauunternehmer muss die eingetretene Verzögerung zu vertreten haben
Sind diese Verzugsbedingungen erfüllt, kann der Bauherr Ersatz des Schadens verlangen, der ihm aufgrund der Verzögerung entstanden ist. Im Folgenden möchten wir näher auf die Verzugsvoraussetzungen eingehen.

Fälligkeit des Erfüllungsanspruchs

Fälligkeit bedeutet, dass Sie als Bauherr das Recht dazu haben, die Fertigstellung eines Gebäudes oder Teilen davon vom Bauunternehmer zu verlangen. Im Falle eines Bauvertrags sind regelmässig bestimmte Termine vorgesehen, zu welchen das Gebäude oder bestimmte Gebäudeteile fertiggestellt sein müssen. Mit Erreichen dieser Termine tritt Fälligkeit und die rechtliche Möglichkeit, die Fertigstellung zu fordern, ein. Sollten Sie keine vertragliche Terminvereinbarung getroffen haben, ist der Zeitpunkt der Fälligkeit schwer bestimmbar. In diesen Fällen ist die Fälligkeit dann anzunehmen, wenn der Bauunternehmer „angemessen viel“ Zeit hatte, um das Bauwerk zu erstellen.

Mahnung des Bauherrn

Ist der Fälligkeitszeitpunkt erreicht, tritt der Verzug des Bauunternehmers und damit Ihr Schadensersatzanspruch nicht automatisch ein. Vielmehr müssen Sie den Bauunternehmer durch eine Mahnung in Verzug setzen – das ist in Art. 102 Abs. 1 Obligationenrecht geregelt. Obwohl eine Mahnung prinzipiell erforderlich ist, um den Verzug des Bauunternehmers zu begründen, kann sie in bestimmten Fällen entbehrlich sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein fester Termin für die Fertigstellung eines Bauwerks oder von Gebäudeteilen vereinbart war. Ist der fest vereinbarte Termin erreicht bzw. überschritten, ist keine Mahnung erforderlich, um den Verzug zu begründen.

Mahnung: Das ist darunter zu verstehen

Die Mahnung stellt eine unmissverständliche, möglichst schriftliche Aufforderung des Bauherrn an den Bauunternehmer dar, die vereinbarte Leistung nun zu erbringen.

Das Verschulden des Bauunternehmers

Um einen Verzug des Bauunternehmers zu begründen, müssen nicht lediglich die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Zusätzlich dazu muss der Unternehmer den Verzug auch verschuldet haben. Das bedeutet, dass die Gründe für die verspätete Fertigstellung in seinem Verantwortungsbereich liegen müssen. Möchte sich der Bauunternehmer darauf berufen, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat, muss er dies allerdings darlegen und beweisen können – sein Verschulden wird erst einmal gesetzlich vermutet.

Bauverzögerung und Leistungsänderung

Damit der Bauunternehmer durch eine Bauverzögerung in Verzug gerät und ein Schadensersatzanspruch des Bauherrn entstehen kann, müssen die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss der Bauunternehmer für die Verzögerung verantwortlich sein und diese zu verschulden haben. In der Praxis ist das Verschulden des Bauunternehmers für Verzögerungen jedoch nicht immer gegeben. Vornehmlich dann, wenn Bauverzögerung und Leistungsänderung zusammentreffen, hat der Unternehmer die Verzögerung oft nicht zu vertreten. Von einer Leistungsänderung ist dann die Rede, wenn der Bauherr neben den ursprünglich vereinbarten Leistungen noch weitere Arbeiten vom Bauunternehmer verlangt oder eine andere Ausführung wünscht. Verlangt der Bauherr etwa nachträglich die Errichtung eines Gebäudes mit 40 Quadratmetern Wohnfläche mehr als ursprünglich vereinbart, liegt eine Leistungsänderung vor.

Kommt es zu einer solchen Leistungsänderung, kann der Bauherr nicht erwarten, dass der ursprünglich vereinbarte Ablieferungstermin dennoch eingehalten wird. Vielmehr muss der Termin in angemessener Weise in die Zukunft verlegt werden. Dementsprechend kann der Verzug des Bauunternehmers im Falle einer vorangegangenen Leistungsänderung nicht schon zum ursprünglich vereinbarten Ablieferungstermin eintreten – auch ein Schadensersatzanspruch des Bauherrn aufgrund der Nichteinhaltung des ursprünglich vereinbarten Termins ist ausgeschlossen.

Wie kann ein Anwalt im Falle einer Bauverzögerung helfen?

Stellt der Bauunternehmen Ihr Haus oder Teile davon nicht zum vereinbarten Termin fertig, ist das ärgerlich. Oft können sich auch weitere Baumassnahmen und sogar Ihr Einzugstermin aufgrund der Verzögerung nach hinten verschieben. Mehrkosten und erhöhter Planungsaufwand sind in diesem Zusammenhang keine Seltenheit. Kommt es zu Bauverzögerungen, kann Ihnen ein spezialisierter Anwalt dabei helfen, Ihre Ansprüche gegen den Bauunternehmer, die Ihnen aufgrund der Verzögerung zustehen, zu erkennen und geltend zu machen. Ausserdem kann der Anwalt erforderliche Massnahmen (z. B. das Verfassen einer Mahnung) übernehmen und ausführen.

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FAQ: Bauverzögerung

Eine Bauverzögerung liegt dann vor, wenn der Bauunternehmer ein Gebäude oder Teile davon nicht zum vereinbarten Termin fertigstellt. Die Verzögerung hat oft zur Folge, dass sich auch weitere Arbeitsschritte, die rund um den Bau nötig sind, zeitlich nach hinten verschieben.
Wird ein Bauwerk nicht zum vereinbarten Termin fertiggestellt, kann der Bauherr zum einen die zeitnahe Fertigstellung vom Bauunternehmer verlangen. Zudem hat er unter Umständen die Möglichkeit, vom Bauwerkvertrag zurückzutreten, den Vertrag zu kündigen und Schadenersatz zu fordern.
Kommt es zu einer Bauverzögerung, ist es wichtig, Kontakt zum verantwortlichen Bauunternehmer aufzunehmen und ihn aufzufordern, die geschuldete Leistung schnellstmöglich zu erbringen. Ausserdem kann es sinnvoll sein, sich an einen Anwalt für Baurecht zu wenden, um weitere Möglichkeiten und Ansprüche zu klären.
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