Öffentliches Baurecht § Rechtslage, Aufgaben & Bedeutung
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- Das Wichtigste in Kürze
- Das öffentliche Baurecht setzt sich aus allen öffentlich-rechtlichen Normen zusammen, die sich mit dem Bauen befassen
- Öffentliches Baurecht regelt insbesondere das Wo und Wie sowie die Art und Weise der Umsetzung eines Bauvorhabens
- Teil des öffentlichen Baurechts sind auch solche Regelungen, welche das Verfahren zwischen Privaten und Behörden rund um den Bau bestimmen
- Welche Rechtsgüter bei Bauvorhaben zu berücksichtigen und zu schützen sind, ergibt sich ebenfalls aus dem öffentlichen Baurecht
Rechtslage: Öffentliches Baurecht
Genauso wie der Begriff des zivilen ist auch der Begriff des öffentlichen Baurechts in der Schweiz nicht klar definiert. Das hängt insbesondere damit zusammen, dass das Baurecht – anders als in anderen Ländern – nicht in einem eigenen Gesetz niedergeschrieben ist. Dementsprechend lässt sich das Baurecht in der Schweiz nicht streng von anderen Rechtsgebieten abgrenzen.
Nichtsdestotrotz ist die Nutzung des Bodens und damit auch das Bauen in der Schweiz nicht grenzen- und frei von Regeln möglich. Obwohl kein separates Gesetz existiert, dass die Vorschriften rund um das Bauen zusammenfasst, gibt es dennoch eine Vielzahl von Regelungen, die bei jedem Bauvorhaben eingehalten werden müssen.
Das öffentliche Baurecht regelt, was wo gebaut werden darf, wie der Bau abzulaufen hat, welche Vorschriften dabei einzuhalten und welche Rechtsgüter zu schützen sind.
Aufgaben des öffentlichen Baurechts
Die Hauptaufgabe des öffentlichen Baurechts besteht darin, zwei nicht selten widerstreitende Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Dabei handelt es sich zum einen um das Interesse des Bauherren bzw. Grundstückseigentümers, seinen Boden so nutzen zu können, wie es ihm beliebt. Zum anderen muss jedoch auch das Interesse der Allgemeinheit an einer sinnvollen Nutzung des ohnehin nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehenden Bodens gewahrt werden.
Hieraus ergibt sich, dass die vorhandenen Normen dazu dienen, einen gerechten Ausgleich zwischen der Privatnützigkeit des Eigentums und seiner sogenannten Sozialpflichtigkeit zu schaffen. Sozialpflichtigkeit bedeutet dabei, dass Eigentum zwar zu privaten Zwecken genutzt werden darf – diese Nutzung darf allerdings nur in einer Form stattfinden, die Gemeininteressen nicht entgegensteht. Um diesen Ausgleich schaffen zu können, legt der Gesetzgeber genau fest:
- Was gebaut werden darf
- Wo gebaut werden darf
- Wie der Bau stattzufinden hat
- Auf welche Rechtsgüter dabei Rücksicht zu nehmen ist
- Welche Verfahrensregeln zwischen Behörde und Privatpersonen rund um den Bau gelten sollen
Durch diese Regelungen wird sichergestellt, dass der Bauherr sein Grundstück möglichst uneingeschränkt nutzen kann. Gleichzeitig finden aber auch die Interessen der Allgemeinheit ( z.B. das Interesse an Erholung in nicht bebauten Raum oder das Interesse an Landschafts- und Gewässerschutz) Beachtung. Wie die Ziele durch seine Regelungsbereiche erreicht werden sollen, erfahren Sie im Folgenden.
Öffentliches Baurecht regelt, wo gebaut werden darf
Prinzipiell ist der Eigentümer eines Grundstücks dazu berechtigt, dieses so zu nutzen, wie es ihm beliebt. Eine Einschränkung seines Eigentums kann sich allerdings aus dem öffentlichen Baurecht ergeben. Schliesslich gibt dieses unter anderem vor, ob auf einem Grundstück gebaut werden darf oder nicht. Ob Liegenschaften zum Bau bestimmter Gebäude genutzt werden können oder nicht, ergibt sich dabei im Wesentlichen aus dem Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG). Auf kantonaler und kommunaler Ebene wird dieses Gesetz mittels der kantonalen Baugesetze (BauG) in Verbindung mit den kommunalen Bau- und Nutzungsordnungen sowie den Bau- und Zonenordnungen umgesetzt und konkretisiert.
Die enthaltenen Vorschriften legen insbesondere fest, ob und auf welche Weise bestimmte Grundstücke bebaubar sind oder nicht. Diese Entscheidung wird dabei aber selbstverständlich nicht willkürlich getroffen. Vielmehr werden durch das Schweizerische sogenannte Raumplanungsrecht genaue Vorgaben dazu getroffen, welche Gebäude wo errichtet werden dürfen und wo das Bauen gar nicht erlaubt ist. Gemäss Art. 75 BV legt der Bund die Richtlinien der Bauplanung fest. Umgesetzt wird sie durch die Kantone. Die Kantone sind daher dafür verantwortlich, insbesondere sogenannte Zonenpläne zu erstellen. Je nachdem, in welcher Bauzone sich ein Grundstück befindet, lässt sich ableiten, ob und mit welcher Gebäudeart es bebaut werden kann. Hierdurch ist sichergestellt, dass das bauen nicht willkürlich erfolgt und genügend unbebauter Flächen etwa zu Erholungszwecken erhalten bleiben.
Vorgaben zur Bauweise und Bauart
Öffentliches Baurecht legt nicht allein fest, ob eine bestimmte Liegenschaft bebaut werden darf und welche Art von Gebäuden errichtet werden dürfen. Es konkretisiert vielmehr auch, wie gebaut werden darf. Das bedeutet: Die kommunalen Bau- sowie Nutzungsordnungen legen fest, welche Höhe ein Gebäude haben darf und welche Grenz- und Gebäudeabstände beim Bauen eingehalten werden müssen. Darüber hinaus sind ausserdem öffentlich-rechtliche Vorschriften der Energie- und Umweltgesetzgebung bei der Planung des Baus zu berücksichtigen.
Nur dann, wenn die geltenden Vorschriften zu dem „Wie“ des Baus beachtet und eingehalten werden, kann eine Baubewilligung erteilt werden. Die Baubewilligung konkretisiert dann noch einmal und für den konkreten Einzelfall, welche Regelungen bezüglich des „Wie“ beim Bauen einzuhalten sind. Durch diese Vorschriften wird unter anderem sichergestellt, dass ein einheitliches Landschaftsbild erhalten bleibt und Nachbarrechte durch einen Bau nicht verletzt werden.
In der Schweiz ist prinzipiell vor dem Errichten sämtlicher Bauten, die fest mit dem Boden verbunden sind, eine Baubewilligung erforderlich. Das ergibt sich aus Artikel 22 Absatz 1 und 2 RPG. Erst wenn ein an die Gemeindeverwaltung gerichtetes, konkretes Baugesuch bewilligt ist, darf der Bau beginnen. Darüber hinaus sind auch Veränderungen an vorhandenen Gebäuden, die von aussen deutlich sichtbar sind oder die Erschliessung bzw. die Umwelt belasten, bewilligungspflichtig.
Vorgaben zum Ablauf von Baumassnahmen
Im Baurecht geht es neben dem Wo und dem Wie des Bauens auch um einen regelkonformen Ablauf der Bauarbeiten. Schliesslich setzt sich Recht aus allen öffentlich-rechtlichen Normen zusammen, die mit dem Bauen zu tun haben. Hieraus ergibt sich, dass auch Regelungen zur Arbeitssicherheit, zu Arbeitszeiten sowie zur Umweltgesetzgebung bei der Realisierung eines Baus einzuhalten sind. Die Regelungen zum Ablauf des Baus richten sich dabei oft nicht direkt an den Bauherren. Vielmehr sind sie von den durch ihn beauftragten Baudienstleistern einzuhalten. Ausserdem müssen Vorgaben der Umweltgesetzgebung (etwa Regelungen zum Lärm-, Umwelt- oder Gewässerschutz) selbstverständlich aber auch durch den Bauherren selbst eingehalten werden.
Öffentliches Baurecht & Rücksicht auf Rechtsgüter
Das öffentliche Baurecht legt fest, ob und wie ein bestimmtes Bauvorhaben durchführbar ist und wie es abzulaufen hat. Darüber hinaus bestimmt es ausserdem, auf welche Rechtsgüter rund um einen Bau besondere Rücksicht zu nehmen ist. Dementsprechend sind auch Regelungen, die dem Schutz von Leib und Leben, dem Lärmschutz, dem Umweltschutz sowie dem Gewässerschutz und der Luftreinhaltung dienen, Teil des öffentlichen Baurechts. Die entsprechenden Vorschriften müssen bei der Umsetzung jedes Bauvorhabens eingehalten werden.
Verfahrensregeln durch öffentliches Baurecht
Das öffentliche Baurecht legt fest, ob und unter welchen Voraussetzungen konkrete Bauvorhaben umsetzbar sind. Zusätzlich dazu bestimmt es aber auch, welche Verfahrensregeln zwischen Privatpersonen und Behörde rund ein Bauvorhaben gelten sollen. Rechtsquellen sind hier die Baugesetze und Verordnungen sowie die Verfahrensgesetze zum Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren. Die entsprechenden Vorgaben aus dem Gesetz bestimmt durch diese Regelungen insbesondere, wie das Baubewilligungsverfahren sowie das Rechtsmittelverfahren rund um den Bau ablaufen sollen. Das Rechtsmittelverfahren wird allerdings erst dann relevant, wenn eine Baueingabe (aus Sicht des potentiellen Bauherren) zu Unrecht abgelehnt worden ist.
Für den Bauherren bedeutet das: Um bauen zu dürfen, muss er sich bestimmte Abläufe und Formalitäten einhalten, um eine Baubewilligung erhalten und legal bauen zu dürfen. Die Verwaltung ihrerseits ist ebenfalls an Recht und Gesetz gebunden und muss die Bewilligung erteilen, sofern im konkreten Einzelfall alle relevanten Bauvorgaben erfüllt sind. Für den Bauherren besonders relevante Verfahrensregeln sind in diesem Zusammenhang die Regelungen rund um das Baugesuch sowie solche zum Baubewilligungsverfahren. Ihr Ablauf wird durch die Vorgaben des Gesetzgebers genau bestimmt. Die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften ist die Voraussetzung für den Erhalt einer Baubewilligung.
Das Baugesuch
Um eine Baubewilligung erhalten zu können, ist das Baugesuch bei der Gemeindeverwaltung einzureichen. Falls erforderlich, leitet die Gemeinde das Gesuch an die je nach Kanton zuständige Stelle weiter. Formal muss das Baugesuch aus folgenden Inhalten bestehen:
- dem ausgefüllten Baugesuchsformular und (abhängig von Art und Lage des Grundstücks) weitere kommunale und kantonale Formularen
- einer Kopie des Katasterplans inklusive Baulinien und dem eingezeichneten Bauvorhaben
- einem detaillierten Umgebungsplan
- Projektplänen inklusive der Grundrisse, Schnitte und Fassaden im Massstab 1:100 und
- Eventuell weiteren je nach Bauvorhaben erforderlichen Unterlagen
Liegen alle notwendigen Unterlagen vor, wird das Baugesuch vorläufig geprüft und im Falle der Bewilligungsfähigkeit öffentlich publiziert. Die Publikation dient insbesondere dazu, Nachbarn Einsicht in das Vorhaben zu gewähren und ihnen eine Einsprachemöglichkeit zu eröffnen. Die einzelnen Schritte dieses Verfahrens sowie die relevanten Einsprachefristen werden ebenfalls bestimmt.
Das Baubewilligungsverfahren
Der Gesetzgeber bestimmt in den entsprechenden Passagen beispielsweise, dass im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens lediglich zu prüfen ist, ob ein Projekt mit den Vorschriften des öffentlichen Bau- und Planungsrechts sowie allen weiteren massgeblichen eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Vorschriften prinzipiell vereinbar ist. Ist das der Fall, muss die Baubewilligung erteilt werden. Privatrechtliche Einwände werden dabei nicht berücksichtigt – Sie sind vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Wenn das Bauvorhaben den Bestimmungen entspricht, wird die Baubewilligung erteilt. Wird die Baubewilligung versagt, steht es dem Bauherren frei, ein Widerspruchsverfahren gegen diese Entscheidung anzustrengen. Auch der Ablauf des Widerspruchsverfahrens wird geregelt.
Wie kann ein Anwalt bei Fragen zum öffentlichen Baurecht weiterhelfen?
Bei der Realisierung eines Bauvorhabens sind viele verschiedene, teilweise komplexe Vorschriften zu beachten. Diese können ein Bauvorhaben einerseits deutlich einschränken – Andererseits ist das Bauvorhaben nur dann realisierbar, wenn alle Vorschriften Beachtung finden. Um keine bösen Überraschungen zu erleben, ist es daher sinnvoll, bereits vor dem Kauf eines Grundstücks kompetente Hilfe durch einen Anwalt zu suchen. Bereits vor dem Grundstückserwerb kann dieser klären, ob das geplante Vorhaben mit sämtlichen Vorschriften, Zonenplänen und Reglementen auf dem gewünschten Grundstück umsetzbar ist.
Ausserdem kann der Anwalt bei der der Erstellung des Baugesuchs sowie der Zusammenstellung aller nötigen Unterlagen weiterhelfen. Sie als Bauherr sparen so Zeit und räumen die Gefahr aus, dass Nachbarn Einspruch gegen Ihren Bau einlegen oder Sie mit einer Nutzungsuntersagung oder Abrissverfügung konfrontiert werden. Ähnliches gilt selbstverständlich auch dann, wenn Sie bereits ein Grundstück besitzen oder ein vorhandenes Gebäude verändern möchten. Auch in diesem Zusammenhang sind eine Vielzahl an öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu beachten. Ein Anwalt für Baubewilligungsverfahren kann Sie auch in diesem Zusammenhang dabei unterstützen, die Möglichkeiten und Grenzen Ihres Bauvorhabens zu erkennen.
FAQ: Öffentliches Baurecht
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